Warum nennen wir solch eine Narbe im Körper unserer Erde Weltnaturerbe?

Vor kurzem war ich mit einer Reisegruppe im Geirangerfjord. Wir machten, wie alle Touristen eine Fahrt mit einem Touristenboot, welches vollkommen überladen war. So wirklich genießen konnte man es deshalb nicht. Natürlich war es beeindruckend an den steilen Felswänden entlang zu fahren und ihre schiere Größe zu bewundern, doch es waren auch viele Risse in den Felswänden sichtbar. Ein großer Felsbrocken soll ja demnächst (in den nächsten hundert Jahren) abbrechen.

Letztendlich war die Aussicht vom Parkplatz an der Panoramastraße (auch Adlerstraße genannt) aus viel spektakulärer. Wenn man ihn von oben sieht, sieht er beeindruckend und wunderschön aus.

Doch Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Warum finden wir ihn schön? Was fasziniert uns so an ihm? Die steilen Felsen allein sind es kaum. Es ist von oben gesehen das Wasser, was uns so beeindruckt. Die Menge, die Farbe, die Schönheit des Wassers – der Quelle allen Lebens, eingebettet in eine faszinierende Naturlandschaft aus steilen Felswänden. Diese sind vor allem wegen ihrer Größe beeindruckend. Alles was so enorm viel größer ist, als wir selbst, beeindruckt uns und fordert unseren Respekt. Denn mit so einer Größe können wir uns kaum messen. Da merkt man erst einmal, wie klein der Mensch doch ist. Und genau darauf will ich hinaus:

Wir kleinen Menschen tummeln uns im Geirangerfjord, meist mit dem Schiff, Boot oder Kanu. Wir sind wie kleine Bakterien im Körper dieses wunderschönen Naturabschnittes. Finden die Bakterien in unserem Körper unsere Narben und Wunden genauso faszinierend und tummeln sich deshalb so gerne darin? „Wie im Großen – so im Kleinen“ – das habe ich schon in meiner Kindheit immer wieder zu hören bekommen, wenn es um die Naturwissenschaften ging. Warum denken wir so wenig darüber nach? Unsere Erde muss doch ein lebendiger Körper sein, denn nur ein lebender Körper kann Lebendes hervorbringen, wie uns Menschen. Warum stellt niemand die Frage, ob diese vielen Canyons, Fjorde und Schluchten auf unserer Erde nichts anderes sind als Narben, die sich tief in ihren Körper eingegraben haben. Warum bewundern wir die Narben unserer Erde und graben durch Bergbau noch tiefere in sie hinein? Unsere eigenen Narben aber finden wir hässlich, wollen sie kaschieren oder spritzen Gift wie Botox in sie hinein, um sie zu glätten.

Könnte man die Narben der Natur auch ausbügeln? Mit Giften? Oder müssen wir einfach akzeptieren, dass diese Narben, die einst durch die Kraft und Masse von totem Wasser, in Form von Eis, tief eingegraben wurden? Und wenn dies so ist, sollten wir uns nicht besser darüber Gedanken machen, ob wir als kleine Bakterien-Touristen nicht zu einer Entzündung im Geirangerfjord führen, weshalb er sich irgendwann zur Wehr setzen muss, um uns los zu werden? Vielleicht ist das, der Grund warum er einen kaputten Teil seines Körpers, einen großen Felsbrocken abstoßen will. Dann wäre Geiranger überschwemmt und die Bakterien-Touristen schlagartig weg.

Warum reicht es uns nicht – ihn von oben aus zu betrachten? Warum müssen wir unbedingt in ihn eindringen? Das gilt natürlich auch für die vielen anderen Fjorde genauso wie die Canyons, die jedes Jahr von tausenden Touristen durchwandert werden.

Irgendwann schlägt die Natur zurück. Irgendwann muss sie ihre Gesundheit wieder herstellen.

Wann beenden wir endlich diesen Massen-Tourismus und kehren zurück, zu Reisen in Minigruppen um sich mit der Natur und den Elementen zu versöhnen? Wann ging uns das verloren, im Einklang mit der Natur zu sein, um dort tatsächlich Ruhe und Erholung zu finden, anstatt sie besiegen oder beherrschen zu wollen? Und Wann beginnen wir damit, unsere Erde endlich zu heilen?

Schreibe einen Kommentar